Egal wohin by Franziska Moll

Egal wohin by Franziska Moll

Autor:Franziska Moll [Franziska Moll]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783732002573
veröffentlicht: 2015-03-09T04:00:00+00:00


Wenn wir groß sind, heirate ich dich

Und du mich

Ich kann Haare flechten

Aber deine sind zu kurz

Du kannst wie Tarzan am Seil herunterhangeln

Ich auch

Mädchen sind doof, nur ich nicht

Ich bin wunderschön

Und du auch

Mama rollt von Papa

Papa holt den Grill aus der Garage

Du hast ein Loch im Bauch und ich auch

Da helfen nur Würstchen

Noch vier Tage

Ein Feuer brennt unter dem Brückenpfeiler. Ich sehe es schon von Weitem. Als ich näher komme, kann ich Funken in den Nachthimmel fliegen sehen. Amar hockt vor den Flammen. Er hat einen Stock in der Hand. Er grillt etwas. Er singt. Das Lied vom Abschied und vom Neuanfang. Ich hocke mich neben eine der Müllskulpturen auf den Boden. Ich könnte ein weiterer blauer Sack sein. Ich sitze da, bis das Feuer nur noch eine schimmernde Glut ist. Bis Amar das Bündel unter den Kopf legt und schläft. Ich bleibe noch hocken, als alles dunkel ist. Bis der erste Hauch Dämmerung am Himmel erscheint.

Sie klappt die rote Fahne ein, schaut zum Himmel, als wollte sie prüfen, ob die Haube aus Dunst und Gestank einen Riss hat, ob sie ihn sehen kann durch diesen Riss. Sie schüttelt den Kopf, schließt das Tor. Ich schlüpfe durch das Loch im Zaun, kämpfe mich durchs Gebüsch, schließe die Baracke auf, falle auf die Pritsche. Keine Sekunde später klopft es.

»Johanna, kann ich reinkommen?« Da ist sie schon drin.

»Ich penn noch!«

»In Klamotten?«

»Was dagegen?«

Sie schüttelt vage den Kopf. »Ich wollte dir nur sagen … Ich würde gerne kurz zur Wellness fahren, bevor …«

»Bevor was?«

»Du weißt schon.« Sie steht da wie jemand, der mal muss. Koch sagt, wenn man etwas zu sagen hat, sollte man die Zähne auseinanderkriegen oder einen Abgang machen.

»Nein, du musst nicht vorher das Wasser aus dem Pool lassen. Ja, ich werde noch da sein, wenn du wiederkommst. Es gibt ja kein Haustier mehr, das du umbringen lassen kannst.«

Sie beißt sich auf die Unterlippe.

»Das ist es doch, was du hören wolltest, oder?«

»Papa ist ja da. Wenn irgendwas ist …«

»Ich komme alleine klar.«

»Er schaut dann abends nach der Fahne.«

»Ja, die gute alte Fahne.«

»Mir wäre es auch lieber, du würdest im Haus wohnen, zumindest reingehen, wenn du von der Arbeit kommst. Aber du …«

»Aber ich?«

»Johanna. Können wir nicht …«

»Was?«

»Wie ganz normale Menschen …«

Das Telefon klingelt. Es ist El Cheffe. Sie rührt sich nicht. Steht da und tupft Tränen aus dem Augenwinkel.

»Ich muss da dran.«

Sie nickt.

»Allein!« Ich nehme das Gespräch an. »Warte, bleib dran.«

Sie rührt sich nicht, egal wie sehr ich sie rausgucke. Also sage ich: »Du machst mich krank, wenn du so da stehst und heulst.«

Da geht sie.

Ich nehme das Telefon ans Ohr. »Ist er da?«

»Wer?«

»Koch! Wer denn sonst?«

»Nein.«

»Was willst du dann?«

»Mensch, Jo.« El Cheffe hört sich an, als wollte er geradewegs durchs Telefon kriechen, um mir Honig ums Maul zu schmieren. »Die packen das hier nicht ohne dich. Was ist jetzt? Kommst du?«

»Nein!«

»Jo, bitte. Echt. Was muss ich denn machen, damit du kommst?«

»Dreimal sagen, ich bin ein blöder Wichser.«

»Jo.«

»Dann eben nicht.«

»Willst du mehr Kohle?«

»Nein.«

»Komm doch wenigstens, bis ich wen gefunden habe.«

Koch sagt, man muss die Kosten gegen den Nutzen abwägen und am Ende doch mit dem Bauch entscheiden.



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